Warum das wichtig ist: Austauschprogramme wie kulturweit-Incoming machen unser Landgut zu einem Ort des interkulturellen Lernens. Unterschiedliche Kulturen und Ideen treffen aufeinander und profitieren voneinander. Verah hat unsere Naturschutzprojekte und BNE-Angebote mit einem frischen Blick erlebt und wertvolle Impulse aus Kenia mitgebracht.
Der Hintergrund: Im November 2023 erhielten wir im Rahmen des UNESCO-Programms BNE 2030 die „Nationale Auszeichnung – Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und wurden zu 15 Jahre kulturweit eingeladen – kulturweit-Incoming bietet jungen Menschen aus Subsahara-Afrika sowie Frauen aus Nordafrika und dem Nahen Osten die Gelegenheit, für drei Monate in deutschen Bildungs- und Kultureinrichtungen zu hospitieren. Es fördert die persönliche Weiterentwicklung der Teilnehmenden und regt zum inspirierenden Austausch an.
Ihre Hospitation beim Landgut Kemper & Schlomski neigt sich nun dem Ende zu und für Verah Ochieng geht es bald zurück in ihre Heimat nach Kenia. Aus diesem Anlass haben wir mit ihr ein interessantes Interview über ihre Erlebnisse der letzten drei Monate im Rahmen von kulturweit-Incoming am LGKS geführt.
Interview mit Verah Ochieng
Erzähl uns von einem besonderen Moment am LGKS, der Dir in Erinnerung bleiben wird.
Für mich war es etwas ganz Besonderes, von der Familie Kemper und Schlomski so herzlich aufgenommen zu werden. In den drei Monaten hier konnte ich in so viele verschiedene Bereiche reinschnuppern und Erfahrungen sammeln, die ich vorher nicht kannte. Besonders schön fand ich es, die BNE-Angebote kennenzulernen, im Team zusammenzuwachsen und dann den K&S Teamtag zu den Deutschen Waldtagen zu erleben. An diesem Tag haben wir gemeinsam die verschiedenen Abschnitte des Bienenwaldes kartiert, den Zustand der einzelnen Pflanzen dokumentiert und dabei viele faszinierende Details über die Pflanzenwelt und die Bedeutung des Bienenwaldes gelernt. Diese Zusammenarbeit für den Naturschutz und die Artenvielfalt hat mich sehr beeindruckt. Das Gefühl, gemeinsam etwas für die Natur zu schaffen und zu erhalten, wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Welche Aufgaben hast Du übernommen und welche haben Dich besonders angesprochen?
Ich konnte viele verschiedene Aufgaben übernehmen, wie den praktischen Naturschutz und verschiedene Aufgaben im Bereich BNE. Eine wichtige Aufgabe während meiner Zeit hier war die Pflege des Feuchtbiotops, um die Flora und Fauna zu schützen und zu erhalten. Besonders am Herzen lag mir die Arbeit auf der Streuobstwiese, da sie Lebensraum für viele Insekten ist. Hier lernte ich das durch den Klimawandel die jungen Obstbäume mit der Trockenheit zu kämpfen haben. Deshalb versorgten wir sie regelmäßig und nachhaltig mit Wasser aus dem eigenen Brunnen. Außerdem half ich bei der Kreislaufwirtschaft am LGKS mit, wo wir Schadholz aus dem Wald zu Hackschnitzeln verarbeitet und als Gießring um die Obstbäume geschichtet haben. Gemeinsam mit dem Team des LGKS betreute ich BNE-Angebote für Kinder, bereitete gesunde Snacks zu und erstellte die „Wildbienenschützer-Abzeichen“, welche im Rahmen verschiedener BNE-Angebote vergeben werden.
Wie erlebst Du die Arbeit an den Naturschutzprojekten und wie hat sich Dein Blick auf den Naturschutz durch die Projekte hier am LGKS verändert?
Die Arbeit an den Naturschutzprojekten ist unglaublich spannend, weil ich direkten Kontakt zu Bäumen und Pflanzen habe. Durch meinen Vater, der in Kenia als „Treeplanter“ (Baumpflanzer) arbeitet, habe ich schon immer ein Bewusstsein für den Naturschutz entwickelt. Ich arbeite gerne an den Naturschutzprojekten am Landgut mit. Hier geht es nicht nur um einzelne Projekte, sondern um den Erhalt eines ganzen Ökosystems. Naturschutz endet nicht mit dem Pflanzen eines Samens, Naturschutz ist ein lebenslanges Engagement – diese Philosophie wird hier auf dem Landgut jeden Tag gelebt und ich bin froh, ein Teil davon zu sein.
Meine Zeit am LGKS hat mir gezeigt, wie eng die verschiedenen Lebensräume und Arten miteinander verbunden sind und wie selbst die kleinsten Tiere eine wichtige Rolle im Ökosystem spielen. Diese Sichtweise ist neu für mich und hat mein Verständnis von Naturschutz erweitert.
Welche Ideen oder Erfahrungen nimmst Du mit nach Kenia, um sie in Deinem eigenen Umfeld umzusetzen?
Hier in Deutschland habe ich gelernt, wie wichtig Mülltrennung ist und welche Auswirkungen unsachgemäße Entsorgung auf Flora und Fauna in der Natur haben kann. Dieses Bewusstsein möchte ich in mein Heimatland mitnehmen, damit auch dort mehr auf das Ökosystem geachtet wird.
Was war für Dich die größte kulturelle Bereicherung während Deiner Zeit am LGKS und welche Bedeutung siehst Du in Austauschprogrammen wie kulturweit-Incoming für die persönliche und berufliche Entwicklung junger Menschen?
Während meiner Zeit am LGKS konnte ich nicht nur meine Deutschkenntnisse verbessern, sondern auch die deutsche Kultur hautnah erleben. Die Pünktlichkeit, das Zeitmanagement und das Verantwortungsbewusstsein haben mich sehr beeindruckt – Eigenschaften, die bei uns in Kenia oft nicht im Vordergrund stehen. Der Austausch baut eine Brücke zwischen unseren Kulturen und führt zu neuen Partnerschaften und Kontakten, die auch nach dem Programm bestehen bleiben. Ich glaube, diese Art von Austausch hilft jungen Menschen, offener und vielseitiger zu denken, was sowohl für ihr persönliche als auch für ihre berufliche Entwicklung wichtig ist. Durch das kulturweit-Incoming-Programm habe ich erfahren, wie wertvoll kultureller Austausch für die persönliche Entwicklung ist. In meiner Freizeit war ich auch einmal in Dresden, wo ich die berühmte Frauenkirche besichtigen konnte. Auch die kulturellen Eindrücke der Stadt fand ich sehr spannend.
Du hast uns von Deiner Arbeit in einem Kinderheim in Nairobi erzählt. Welche Ansätze oder Erfahrungen aus der BNE-Arbeit am LGKS sind für Dich besonders wertvoll und auf Nairobi übertragbar?
Es ist schön zu sehen, wie die Kinder am Landgut im Rahmen der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) schon in jungen Jahren viel über Naturschutz, Flora und Fauna lernen. Solche praktischen Lernangebote gibt es in Kenia leider nicht. Bei uns lernen die Kinder Naturschutz nur in der Schule und oft nur theoretisch. Es gibt keine außerschulischen Lernorte, wo sie direkt in die Natur gehen und zum Beispiel lernen, welche Bäume gut für das Ökosystem sind. Dieser Praxisbezug, den ich hier auf dem Landgut erlebe, würde auch in Kenia einen großen Unterschied machen. Am LGKS habe ich gelernt – Naturschutz ist eine Generationenaufgabe. Dieses Wissen möchte ich mit nach Nairobi nehmen. Kinder früh einzubeziehen, könnte in meiner Heimat viel bewirken. Ich möchte sie in Zukunft mehr einbinden, zum Beispiel durch Baumpflanzaktionen.
Drei Monate sind vergangen, seit Du Deine Hospitation am LGKS begonnen hast. Nun geht es für Dich zurück nach Kenia. Wie hast Du diese Zeit bei uns erlebt?
Diese drei Monate waren für mich sehr prägend. Ich war wirklich überrascht, wie groß das Gelände mit all den Wäldern, den Pferdekoppeln und dem Naturschutzteich ist. Alles ist so schön miteinander verbunden und es gibt so viel zu entdecken. Mein Blick auf die Natur hat sich im ersten Monat sehr verändert. Der Umgang mit Tieren ist hier so respektvoll und achtsam – ganz anders als in Kenia. Der Bienenwald hat mich besonders beeindruckt. Ich habe gelernt, wie wichtig Bienen und andere Insekten für den Wald sind. Früher fand ich Insekten eher lästig, aber jetzt verstehe ich, wie wichtig sie für unser Ökosystem sind. Selbst eine Spinne würde ich nicht mehr töten, sondern freilassen. Diese neue Wertschätzung für die Natur und ihre Lebewesen habe ich hier auf dem Landgut gelernt.
Am meisten hat mich beeindruckt, wie wichtig es hier ist, Kinder in den Naturschutz mit einzubeziehen. In Kenia ist das selten – Kinder übernehmen wenig Verantwortung für die Natur. Hier habe ich gelernt – Naturschutz ist mehr als Bäume pflanzen. Es ist ein dauerhafter Prozess, der Pflege und Geduld braucht. Auch die Bildungsprojekte am LGKS sind etwas ganz Neues für mich – ich hätte nie gedacht, wie viele Möglichkeiten es gibt, Menschen für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Diese Erfahrungen nehme ich mit zurück nach Kenia und hoffe, dort ähnliche Ansätze umsetzen zu können.
Das Feedback und die Begeisterung von Verah Ochieng, insbesondere für Themen wie den Bienenwald und die Arbeit mit Kindern, zeigen uns, wie die Grundwerte der Nachhaltigkeit überall Anklang finden – unabhängig von der Herkunft.
„Durch das kulturweit-Incoming-Programm erleben wir die Verbindung von Naturschutz, BNE und interkultureller Begegnung direkt vor Ort. Solche Programme sind wertvoll, weil sie zeigen, welche globale Bedeutung das Engagement für Natur und Bildung hat und wie es Menschen auf der ganzen Welt inspiriert und verbindet.“
Anna-Karina Kemper, Bienenwaldbotschafterin und Junior-Chefin des Landgutes
Am Ende von Verahs Aufenthalt möchten wir uns ganz herzlich für die gemeinsame Zeit am LGKS bedanken. Mit ihrer Begeisterung, ihrem Engagement und ihren frischen Impulsen hat sie unser Team inspiriert und den interkulturellen Austausch am LGKS in besonderer Weise bereichert. Ihr großes Herz für Natur und Bildung hat bei uns einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wir freuen uns sehr über Verahs Entscheidung, ihr Wissen und ihre Erfahrungen, die sie am LGKS erworben hat, in ihrem Heimatland Kenia einzusetzen.
Als Partner von kulturweit-Incoming freuen wir uns schon jetzt darauf, auch in Zukunft weitere Hospitanten am LGKS begrüßen zu dürfen.