Unter den blühenden Apfelbäumen auf dem Lindenhof in Ulberndorf kommen sie besonders gut zur Geltung: Alfons, Frau Kuddelmuddel und all ihre fröhlich anzuschauenden Scheuchenkollegen. Wie schon in den vergangenen Jahren möchte das Landgut Kemper & Schlomski mit einem Wettbewerb um die schönste Wildscheuche auf das Thema Kitzrettung aufmerksam machen.
Jedes Jahr werden bei der Heuernte zahlreiche Rehkitze durch Mähmaschinen schwer verletzt oder gar getötet. Grund dafür ist das angeborene Schutzverhalten des Rehwildes. Die Ricken legen ihre Jungtiere tagsüber im hohen Gras ab. Selbst bei Gefahr bleiben die Kitze einfach reglos am Boden liegen. Da sie klein und nahezu geruchlos sind, werden sie für Beutegreifer im Prinzip unsichtbar. Bei der Mahd wird ihnen genau diese „Unsichtbarkeit“ zum Verhängnis. Das Absuchen der Grünflächen vor der Mahd mit Helfern und Hunden ist sinnvoll, um gefundene Kitze aus den Wiesen zu tragen (Vorsicht: Kitze dürfen niemals mit bloßen Händen angefasst werden, da die Ricken ihre Jungtiere wegen des Menschengeruchs später nicht mehr annehmen!). Doch selbst für ausgebildete Jagdhunde ist es oft schwer, die Kitze im hohen Gras aufzuspüren. Deshalb stellen LGKS-Betriebsleiterin Bärbel Kemper und ihr Team schon seit vielen Jahren am Abend vor der Mahd sogenannte Wildscheuchen in den Grünflächen auf.
Durch die Nähe der Menschen und das Rascheln und Klappern der fremden „Gestalten“ beunruhigt, holen die Ricken ihre Jungtiere in der Regel über Nacht aus der betreffenden Wiese, um sie anderswo in Sicherheit zu bringen. Wie gut diese Methode funktioniert, kann Bärbel Kemper an den eigenen Grünflächen sehen: Beim Abgehen der Wiesen vor der Mahd befand sich nicht ein einziges Kitz mehr im Gras.
Um mit dieser einfachen und effektiven Möglichkeit der Kitzrettung eine größere Öffentlichkeit zu erreichen, findet der Wildscheuchenbau nun schon zum zweiten Mal beim Naturschutz- und Jagderlebnistag des Landschaftspflegeverbandes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge statt. Wie im vergangenen Jahr ist der Lindenhof in Ulberndorf gut besucht. Gäste aller Altersgruppen mit Interesse an Natur und Garten, regionalen Produkten, Jagd und Hund tummeln sich in Hof und Scheune, Obstwiese und Kräutergarten.
Feierlich eröffnet wird die Veranstaltung von den Jagdhornbläsern. Später gibt es Gartentipps vom Fachmann und eine Schauvorstellung der verschiedenen Jagdhunderassen. Am Stand des Landgut-Teams haben sich währenddessen schon die ersten jungen Wildretter eingefunden und beginnen mit dem Bau der Wildscheuchen. Reichlich Baumaterial ist vorhanden: alte Kleidung und Tücher, Dosen und Bänder. Am Besten ist alles, was wehen und Geräusche machen kann. Aus den im Vorfeld angefertigten Holzkreuzen entstehen nach und nach immer mehr skurrile Gestalten, die später in den Grünflächen am LGKS aufgestellt werden.
Auch zahlreiche Erwachsene suchen das Gespräch mit Forstwissenschaftlerin Nora Hennig und ihren Mitarbeiterinnen. Das Thema Kitzrettung bewegt die Gemüter. Viele der Gäste haben selbst Grünflächen und möchten ein potenzielles Ausmähen der Kitze verhindern.
Unterbrochen wird der Scheuchenbau zeitweise nur durch ein plötzlich aufkommendes Gewitter mit starkem Regen. Aber das kann die Besucher am LGKS-Stand nicht abschrecken. Im regensicheren Zelt testen sie ihr Wissen im Streuobstwiesen- und im Blätterquiz, während die Kinder ihre eigenen Buttons mit Streuobstwiesentier-Motiven anfertigen.
Wir freuen uns über das rege Interesse an unserer Aktion und danken dem Landschaftspflegeverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge für die Möglichkeit, am Naturschutz- und Jagderlebnistag teilzunehmen. Nächstes Jahr sind wir auf jeden Fall wieder mit dabei!