Beitrag vom 21.12.2015
in der Kategorie: Naturschutz

Küsse unter dem Mistelzweig

Was hat es mit der Mistel eigentlich auf sich? Welche Mythen und Geschichten erzählt man sich um diese Pflanze? Wem dienen die Beeren der Mistel als Nahrung? All diese Fragen beantworten wir heute!
Junge Mistel in altem Obstbaum am LGKS
Junge Mistel in altem Obstbaum am LGKS

Das letzte Laub ist gefallen und dennoch sind nicht alle Bäume kahl. Wintergrüne Misteln hängen in den Zweigen, was vor allem im Großraum Dresden entlang des Elbtals häufig zu beobachten ist. So mancher schaut mit missmutigem Blick in die Baumkronen. Fluch oder Segen fragt man sich alljährlich, aber der Reihe nach: Im Volksmund wird die Mistel auch als Hexenbesen, Albranken, Vogelkraut oder Druidenfuß bezeichnet. Sie verleiht dem Zaubertrank des wohl berühmtesten Druiden, Miraculix, aus den Asterix-Comics, besondere Kräfte. Auch wenn hier die Fantasie mit den Autoren durchging, die Mistel ist seit der Mythologie des Altertums bekannt. Druiden verehrten mistelbewachsene Eichen als heilig und schnitten die immergrünen Gewächse mit einer goldenen Sichel aus der Krone.

Die Weißbeerige Mistel (Viscum album) und ihre Unterarten sind von Südskandinavien bis Südeuropa an zahlreichen Laubholzarten zu finden. Der Gattungsname Viscum (lat. Leim), beschreibt die klebrigen Beeren sehr treffend. Die zähe Masse wird auch bei der Passage durch den Vogeldarm nicht vollständig verdaut und so bleiben die Samen nach dem Ausscheiden an Ästen haften. Mit einem Senker dringt der Keimling bis zum Kambium des Wirtsbaumes vor und wird in den Folgejahren vom Holz des Baumes umwachsen. Damit ist die Verbindung zu den Wasserleitungsbahnen der Wirtspflanze gesichert. Photosynthese betreibt der Halbparasit selbst. Gestresste, weniger vitale Bäume (z. B. Stadtbäume) können sich schlechter gegen das Eindringen von Misteln wehren und ein massenhafter Befall kann die bereits geschwächten Bäume schädigen. Jedoch scheint es die Mistel nicht darauf anzulegen ihren Wirt umzubringen und sich damit selbst die Lebensgrundlage zu entziehen. So erreicht sie einen maximalen Durchmesser von 1,5 Metern, bevor sie für den Ast zu schwer wird. Vitale Bäume können sich mit einem moderaten Befall für lange Zeit arrangieren. Trockenheit, wärmere Winter und die häufiger in den Siedlungsbereichen überwinternden Vögel gelten als Ursache für die örtlich starke Ausbreitung. Für letztere sind die Früchte ein wichtiger Bestandteil der Winternahrung und die einzige Verbreitungsmöglichkeit der Mistel. Misteldrossel, Mönchsgrasmücke, Wacholderdrossel und Seidenschwanz tragen die Früchte über kurze Distanzen zu einem neuen Wirtsbaum. Aber nimmt die Mistel tatsächlich überhand? Laut der Roten Liste Deutschland gilt die Mistel in Schleswig-Holstein als ausgestorben und in Sachsen steht sie auf der Vorwarnliste. Deutschlandweit ist sie aber nicht selten oder gefährdet. Etwas schwerer hat es die Tannen-Mistel (Viscum album subsp. abietis). Die Unterart ist auf die Weißtanne angewiesen, welche in Deutschland nach wie vor selten anzutreffen ist. In Sachsen ist die Tannenmistel vom Aussterben bedroht und in zwei weiteren Bundesländern gefährdet.

Ist es notwendig Misteln zu bekämpfen? Ein unschöner Begriff, wenn man bedenkt, dass die Mistel einst verehrt wurde. Möchte man den Baum (und die Gemüter seiner Mitbürger) schützen, ist eine begrenzte Nutzung der Mistel sinnvoll. Die Ernte ist aufwendig, weil die Misteln in den lichtdurchfluteten oberen Kronenabschnitten sitzen. Und es bleibt meist nicht bei einem einmaligen Schnitt. Macht man sich dennoch die Mühe sollte man das faszinierende Gehölz nicht unbeaufsichtigt unter dem Baum liegen lassen. Zu schnell werden die Zweige von Passanten „weggefunden“. Ein klares Zeichen, dass die Mistel die Menschen immer noch fasziniert. Gerade in der Weihnachtszeit ist ein Mistelzweig im Haus ein schöner Anblick. In England küsst man sich nach altem Brauch, wenn man einander unter einem aufgehangenen Mistelzweig begegnet. Alte knorrig verwachsene Obstbäume im ländlichen Raum sind ein beliebter Aufenthaltsort für Vögel und so finden sich in ihnen meist Misteln in großer Zahl. Auch am LGKS grünen Misteln in den Kronen alter Apfelbäume und werden als Weihnachtsdekoration genutzt. Das freut Mensch und Baum.

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